Mittwoch, 7. Juni 2017

Story: Die Geschichte einer 50 Jahre lang verschollenen Messingmutter...



Bei der ersten Durchsicht war es nicht sofort aufgefallen, aber irgendwie wirkte die Kappe auf dem A anders als die Nachbarkappen… Schnell war klar: eine fehlt!

Missing Messing....

„Wie schade“, dachte ich.  Dann muss ich wohl einen netten Menschen finden, der eine Drehbank besitzt und Gewinde schneiden kann, denn zwei Stunden Internetrecherche haben zwar sehr viele verschiedene DIN-Muttern und Abschlussköpfe aller Formen ergeben, aber keine M 2.5-Kappe die wenigstens annähernd passte. Als Provisorium würde ich wohl eine zylindrische Hutmutter verwenden. 

Beim Abnehmen der benachbarten Klangplatten fiel mir aus Versehen ein kleines Stück Filz in den Resonanzkasten. Bei der Bergung – Staubsaugen im Resonator, denn Filzreste und Staub müssen raus! – kam mir der Gedanke: „liegt da unten wohl irgendwo auch die verloren gegangene Kappe?“. In den Resonatoren hatte ich bisher immer nur „blind“ mit einem Mikro-Sauger-Aufsatzschlauch den Staub auf ein Minimum reduziert, denn feuchtes Wischen möchte ich weder dem Leim, noch dem gut abgelagerten Resonatorholz zumuten. 

Ein Test ergab, dass die Messingmuttern für den geringen Sog zu schwer sind. Beim Blindsaugen würde die Kappe wohl nicht erwischt. Also… alle nicht direkt einsehbaren langen Resonatoren ausbauen? Eigentlich wollte ich nur die drei Resonanzkästen entfernen, die einen kleinen Spalt an der Verleimung haben. Der Ausbau eines Basskastens kostet viel Zeit... Ich entschied mich dafür, zuerst mit dem Handy in alle Kästen hinein zu fotografieren. Nach Detaildurchsicht von etwa 30 Bildern, wurden am Boden des tiefen D, unter etwas Staub die schwach erkennbaren Umrisse eines kleinen  Gegenstandes sichtbar. Mein Herz klopfte schneller! Könnte das vielleicht die Kappe sein? Auf einem Handyfoto ist das gar nicht so leicht zu entscheiden. Ein Vergleich: man suche – von der Wasseroberfläche aus - die Umrisse einer Schatzkiste von 60x60x70 cm Größe im schlammigen Boden eines 55 Meter tiefen Sees. Natürlich hinkt der Vergleich, weil ich erstens bessere Sicht hatte, aber da unten war etwas! Ich wünschte mir auf der Stelle ein Endoskop. Weil ich zu neugierig war, habe ich die „Bild-Anomalie“ gleich mehrmals fotografiert und am PC vergrößert.






























Bingo! 

Hab ich Dich!. Nach Ausbau des Resonators, konnte ich die Verschollene einfach auf den Teppich kullern lassenJ. Noch beim Rollen der Kappe entschied ich, den Staub in allen Resonatoren effektiver zu reduzieren. Obwohl eine dünne Staubschicht am Boden eines alten, gut getrockneten Resonators natürlich kein Drama, sondern fast so etwas wie ein Qualitätskriterium ist, gefiel mir der Gedanke, auch die unsichtbaren und unhörbaren Elemente so gut zu renovieren, wie ich es als Laie kann.

Wie ist die Kappe nur dort hin gepurzelt? Die leicht unterschiedlichen Grün-Farbtöne von zwei Auflagepolstern lassen vermuten, dass es mindestens einmal eine Neubefilzung der Auflagepolster stattgefunden hat. Aufgrund der verwendeten Ersatzkappe: eine alte Auslösepuppe aus einem Klavier, wird vermutlich ein (Rostocker?) Klavierbauer daran gearbeitet haben. Das Instrument stammt aus dem Jahr 1939, so dass eine Neubefilzung allerspätestens in den 1970er Jahren notwendig gewesen sein dürfte. Vermutlich hat die Kappe fast 50 Jahre im Kasten gelegen. Nun glänzt sie wieder an korrekter Position.

Zeit für einen Tag Baupause 😉



Nachtrag zum Thema Abschlusskappen:

Die Sicherung der Klangplatten auf den Befestigungsstiften geschieht mit den vorgefundenen, originalen Messingmuttern (Abschlusskappen). Es handelt sich um Zylinder von 6 mm Durchmesser und 7 mm Höhe. Sie sind bis zur halben Länge gebohrt und weisen unten ein M 2,5-Gewinde auf. Der obere Pol ist leicht gewölbt und hat einen Spannerschlitz. Diese Art von Schraubschlitz wird besonders dann verwendet, wenn große Drehmomente vermieden werden sollen, z.B. um bei der Montage versehentliche Zerstörungen des Befestigungsstifts bzw. des Resonanzkastenholzes zu vermeiden. Alle Abschlusskappen hatten im vorgefundenen Zustand eine dunkle Patina. Ich habe die Kappen bei der Ton-für-Ton-Restauration des Instruments jeweils für 5 Minuten mit Messingreinigungslösung bedeckt und danach mit kaltem Wasser gespült. Hierdurch wurde der ursprüngliche leichte Messing-Glanz wieder sichtbar.


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